Montag, 7. März 2011

der traum des pongo

…von josé maria arguedas

ein mann trat in das landhaus der hacienda seines patrones ein. da er leibeigener war, kam er, um seine schicht als pongo zu leisten, als diener in der großen residenz. er war klein, elenden körpers, schwachen gemüts, gänzlich bemitleidenswert; seine kleidung alt.

der große herr, patron der hacienda, konnte das lachen nicht zurückhalten, als ihn dieser kleine mann in der eingangshalle der residenz begrüßte.

-bist du mensch oder sache?- fragte er ihn vor all den dienstleuten.
voller scham antwortete der pongo. verschreckt, mit eisigen augen, stand er dort.
-mal sehen!- sprach der patron –immerhin wird er wissen, wie man töpfe abwäscht, wenigstens wird er den besen benutzen können mit diesen seinen händen, die wirken, als wären sie nichts. schaff diesen abfall weg!- befahl er dem anleiter der hacienda.

sich niederkniend küsste der pongo dem patron die hände und folgte dem anleiter in die küche.

der kleine mann hatte einen schmächtigen körper, seine kräfte entsprachen dennoch denen gewöhnlicher männer. all jenes, was man ihm auftrug zu tun, tat er gut. in seinem antlitz jedoch spielte etwas wie entsetzen, einige diener lachten über diesen anblick, andere bedauerten ihn.
-waise der waisen, die kälte seiner augen muss der sohn des mondwindes hervorrufen, das durch und durch traurige herz.- sagte die mestize köchin, als sie ihn sah.

der kleine mann sprach mit niemandem, arbeitete schweigsam; aß in stille. alles, was man von ihm verlangte, erfüllte er. –ja, mein papachen; ja, mein mamachen.- war, was er zu sagen pflegte.

wohlmöglich aufgrund dessen ausdrucks von gewissem grauen und wegen dessen so lumpiger kleidung und schlichtweg, weil er sprechen wollte, empfand der patron eine besondere verachtung für den mann. immer bei sonnenuntergang, als die diener sich zum beten des ave maria in der halle des landhauses versammelten, quälte der patron den pongo vor all der dienerschaft; schüttelte ihn durch, wie einen klumpen fell.

er stieß ihm gegen den kopf und befahl ihm, sich hinzuknien, und, wie er schon angeschlagen da saß, gab er ihm leichte schläge ins gesicht.
-ich glaube, du bist ein hund. bell!- sagte er ihm.
der kleine mann konnte nicht bellen.
-stell dich auf alle vier beine!- befahl er ihm dann.
der pongo gehorchte und machte einige schritte auf vier beinen.
-trotte zur seite, wie ein hund!- hielt der gutsherr an, ihm befehle zu erteilen.

der kleine mann konnte rennen wie die kleinen hunde aus dem altiplano.
der patron lachte aus vollem halse; das lachen ließ seinen ganzen körper erbeben.
-komm zurück!- schrie er, als der diener dahertrottend das ende des flures erreicht hatte.
der pongo machte kehrt, seitlich rennend. er kam erschöpft an.

einige seinesgleichen, bedienstete, beteten während alledem das ave maria, langsam, wie ein wind im inneren des herzens.
-heb die jetzt ohren, häschen! ein häschen bist du!- ordnete der herr dem müden kleinen mann erneut an. –setz dich auf zwei pfoten; nimm die hände zusammen.-
als hätte er im bauch seiner mutter eine krankheit erlitten, die ihn zu einem häschen werden lässt, ahmte der pongo exakt die haltung eines dieser kleinen tiere nach, wenn sie still und bewegungslos dasitzen, als würden sie den felsen eine predigt halten. aber er konnte die ohren nicht heben.

der patron trat ihn mit dem stiefel, ohne jedoch zu fest zuzulangen, und stieß ihn auf den steinboden der flures nieder.
-lasst uns das vater unser beten.- sagte er später zu seinen indios, die aufgereiht warteten.
der pongo erhob sich langsam, konnte jedoch nicht beten, weil er sich weder an der stelle befand, die ihm zustand, noch diese stelle irgendwem zustehen würde.

in der abenddämmerung verließen die bediensteten den flur hinab über den hof hin zum weiler der hacienda.
-verschwinde brötchen!- befahl der patron ihm gewöhnlich danach.
und so ließ der patron seinen neuen pongo sich jeden tag wälzen; vor der gesammelten dienerschaft. er befahl ihm, zu lachen, weinen zu fingieren. er überließ ihn dem spott von seinesgleichen, den häschen.

aber… eines nachmittags, als es zeit für das ave maria war, als die eingangshalle gefüllt war von allen menschen der hacienda, als der patron begann, den pongo mit seinen dichten augen anzusehen, sprach dieser, dieser kleine mann, sehr deutlich. sein gesicht war immernoch etwas verschreckt.
-großer herr, ich bitte um erlaubnis; mein väterchen, ich möchte dir etwas erzählen- sagte er.
der patron hörte nicht, was er hörte.
-was? du bist es, der gesprochen hat, oder jemand anderes?- fragte er.
-ihrre erlaubnis, väterchen, dir zu erzählen. du bist es, dem ich erzählen möchte- wiederholte der pongo.
-sprich also… wenn du es kannst- antwortete der besitzer der hacienda.

-mein vater, mein herr, mein herz- begann der kleine mann zu sprechen. –ich habe heute nacht geträumt, wir zwei wären gemeinsam tot, gemeinsam waren wir tot-
-mit mir? du? erzähl alles, indio!- sagte ihm der große patron.
-da wir tote männer waren, mein herr, erschienen wir mir entkleidet. wir zwei gemeinsam; nackt vor unserem großen vater san francisco-
-und danach? sprich!- befahl der patron, halb verärgert, halb unruhig durch seine neugier.
-wie er uns so sah, tot, nackt, zusammen, prüfte unser großer vater san francisco uns mit seinen augen, die weiter reichen und messen, als wir es uns denken können. dich und  mich prüfte er, nachdenkend, glaube ich, er prüfte unser herz, was wir waren und was wir sind. wie ein reicher und großer mann hast du vor diesen augen gestanden, mein vater-
-und du?-
-ich kann nicht wissen, wie ich dort stand, großer herr. ich kann nicht wissen, was ich wert bin-
-gut, erzähl weiter-
-danach also sprach unser vater mit seinem mund: „von allen engeln der schönste komme. diesen unvergleichbaren begleite ein anderer kleiner engel, der auch der schönste sei. der kleine engel bringe einen goldenen kelch und diesen goldenen kelche fülle mit dem klarsten honig vom zuckerrohr.“-
-und dann?- fragte der patron.

die diener, die indios lauschten, lauschten dem pongo, mit aufmerksamkeit, doch ängstlich.
-mein eigner: kaum hatte unser großer vater san francisco den befehl gegeben, erschien ein engel, glänzend, hoch wie die sonne; er kam zu unserem vater, langsam gehend. hinter dem größeren engel marchierte ein weiterer kleiner, hübsch, von weichem licht wie der lichtschimmer der blumen. in seinen händen brachte er einen goldenen kelch-
-und dann?- wiederholte der patron.
-„größerer engel: bedecke diesen kavalier mit dem honig aus dem goldenen kelch; deine hände seien wie federn, wenn sie über den körper des mannes gleiten“ sagend, befahl unser großer vater. und so nahm der erhabene engel den honig mit seinen händen und strich deinen körper ein, gänzlich, vom kopf bis zu den spitzen deiner zehen. und du erhebtest dich, allein; im lichtschein des himmels überstrahlte das licht deines körpers, als wäre er aus durchscheinendem gold gemacht-
-so müsste es sein. sagte der patron und später fragte er -und dich?-
-als du im himmel erstrahltest, befahl unser großer vater san francisco von neuem: „von allen engeln des himmels komme jener, der am wenigsten wert ist, der gewöhnlichste. dieser engel bringe einen benzinkanister voll menschlicher exkremente.“-
-und dann?-

-ein engel, der nichts mehr wert war, alt, schuppiger beine, dem die kräfte nicht ausreichten, die flügel gerade zu halten, kam zu unserem großen vater; er kam sehr müde an, mit triefenden flügeln, einen großen kanister in seinen händen tragend. „herrje alter“, befahl unser großer vater diesem armen engel. „schmiere den körper dieses kleinen mannes mit den exkrementen ein, die du in diesem bleckkanister gebracht hast; den ganzen körper, wie auch immer; bedecke ihn, wie du kannst. schnell!“ also holte der alte engel die exkremente mit nackter hand aus dem kanister, beschmierte mir ungleich den körper, wie man lehm an irgendeine hauswand wirft, ohne vorsicht. und ich erschien beschämt im licht des himmels, stickend…-
-genau so müsste es sein.- bestätigte der patron -weiter! oder ist die geschichte am ende?-

-nein, mein väterchen, mein herr. als wir uns also neuerlich, wenngleich auf andere weise, zusammen, wir beide, vor unserem großen vater san francisco sahen, betrachtete er uns auch von neuem, erst dich, dann mich, lange zeit. mit seinen augen, die den himmel erfüllten, ich weiß nicht, in welche tiefe er uns betrachtend gelangte, die nacht und den tag zusammengenommen, vergaß er die erinnerung. und später sagte er: „all jenes, was die engel mit euch tun sollten, ist schon getan. nun: leckt euch gegenseitig ab! langsam, für lange zeit.“ in gleichen moment verjüngte der alte engel; seine flügel erlangten ihre schwarze farbe zurück, ihre große kraft. unser vater vertraute ihm an, zu überwachen, dass sein wille sich erfülle.

2 Kommentare:

  1. "el sueno del pongo" habe ich mal auf der plaza de armas von villa maria als schauspiel gesehen, wirklich toll. wenn du arguedas magst, musst du unbedingt "los rios profundos" lesen, wunderschön und nachdenklich zugleich.

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  2. Ganz wunderprächtig hast du das gemacht. Schön, dass du ein paar Begriffe stehen gelassen hast. CheverÉ.

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