Samstag, 19. Februar 2011

episode vier

wir steigen an arequipas prachtplatz in einen alten schönen toyota-geländewagen, nachdem unsere rucksäcke auf dessen dach festgeschnürt wurden. der fahrer ist unperuanisch, heißt dennis und wirkt nordamerikanisch. er gibt den mädchen zu begrüßung und abschied zwei wangenküsse statt – wie ganz klar norm – einen. auf dem beifahrersitz sitzt inti. er ist dunkel, hat ein bilderbuchindianergesicht und ein breites grinsen. er wird uns leiten bei unserem vorhaben. wir fahren also aus der stadt hinaus, verlassen irgendwann die asphaltpiste und bald legt dennis den hebel um: allradantrieb. wir blicken nach rechts hinaus, der picchu picchu zeigt sich in voller pracht und lässt uns ganz klar zu verstehen, warum man ihn auch den schlafenden indio nennt…
blicken wir nach vorne, sehen wir die unzähligen sandadern, die langsam hinauf streben, mit immer stärkerer steigung, um sich am gipfel zu treffen: der misti.


ich habe nie erlebt, dass man sich so unbegreiflich kraftlos fühlt… in fünftausendachthundertzweiundzwanzig metern höhe bin ich nicht mehr viel von dem, was ich sonst bin. die glieder versagen, ich atme, aber ich nehme nichts aus der luft, was mein fleisch ernähren könnte. mein herz schlägt mit haltlosem rhytmus bis in den kiefer. aber mich treibt und treibt und treibt etwas, eine liebe, für die ich keinen namen habe. nach zwölf stunden des aufstieges berühre ich mit der linken hand das gipfelkreuz.

oooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooohhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh, wow.



















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Sonntag, 13. Februar 2011

episode drei und schreibblockade


wir stehen auf, das komische gefühl hat sich nicht aufgelöst. ich denke, was muss man beim jahreswechsel dabei haben… nichts im grunde. also treten wir vor die tür und was ist das? regen… regen ists… der himmel schenkt mir in der letzten stunde zweitausendundzehn noch einmal regen. oh, ich bin dankbar. wir laufen durch die straße, die irgendwie, naja, ich meine, sie ist irgendwie, oder zumindest ist irgendwas. es regnet, das zählt und fühlt sich so gut an, die tropfen auf der haut… wir gelangen nicht dahin, wo ich hin will, trotzdem stehen wir auf einer spürbaren anhöhe in la paz‘ topf. dort haben sich viele kleine gruppen versammelt und sie beobachten das zunehmde gefeuerwerke. wir stehen dort dann also auch, den saftigen regen riechend(ja, ja, sicher, natürlich, jetzt wird mir klar, die gerüche des regens sind ganz andere, als die der trockenheit…), hörend (die dicken tropfen prasseln mir auf die kaputze und zersplitzen vor lauter freude), schmeckend (kopf in den nacken legen, augen blinzeln, zunge rausstrecken). irgendwann scheint es uns zeit - zumal in ermangelung eines zentral vorgegebenen zählrunters – mit  lichterpanorama in das neue jahr hinüberzugehen. also sehen wir uns an und gehen nach nebenan. zweitausendundelf. ein außerordentliches phänomen, so ein jahreswechsel. von nun auf unmittelbar danach. klick. was sich die zivilisation alles hat einfallen lassen, nicht wahr?

mit einem abgeschlossenen und einem neu angebrochenen jahr in den taschen machen wir uns auf den rückweg. es gibt tatsächlich taxifahrer, die nichts besseres zu tun haben, als taxi zu fahren. am ersten ersten zweitausendelf um zwanzig nach null komma neu anfangen zu zählen bitte. haben wir lust, die plaza murillo bei nacht zu sehen? ja haben wir, machen wir, gehen wir. kommen wir an und der wichtigste platz boliviens ist leer. hm, naja, warum auch eigentlich nicht. er strahlt seinen charme so durch die gegend und wir lassen uns von einer unerklärlich einsetzenden trunkenheit einlullen, steigern das mit zucker und beginnen zu singen und mundschlagzeugen. einfach so. da, in la paz, mitten im herzen südamerikas, in der neujahrsnacht. wir legen scham und kultiviertheit mal eben dort auf die treppe und lassen dem wahn freilauf. eine fahrt auf der achterwahn später sind wir so glücklich und erfüllt, vom quatsch gewärmt und der schokolade gesalbt, dass wir ganz einfach ins bett gehen können. la paz gibt uns in dieser stillen, seelenarmen nacht vom regen glänzend eine ganz besonders freiheitliche aura zu spüren… ich mag dich, frieden, sehr, ich komm zurück, mit mehr zeit.


geschnürte rucksäcke auf den rücken gezurrt gehen wir los, man soll gehen, wenn es  am schönsten ist… so ein humbug. aber wir haben noch viel vor, also amüsieren wir uns über die möglichkeit elftausend kilometer von berlin entfernt zu neujahr berliner essen zu können und suchen uns einen bus. wir finden einen wirklichen schönling.

der schönling packt uns ein und rollt los. ich sehe aus dem fenster, wir kriechen den rand des topfes hinauf, wir passieren el alto, jetzt im normalzustand, wir blicken zurück und verlassen die stadt, die uns wirklich tolle stunden, ganz intensive momente geschenkt hat. dann geht es durch die pampa, so viel grüner, als all das, was ich an landschaft hier sonst gewohnt bin, und dennoch nicht wirklich pflanzenreich. kühe, esel, schafe. irgeendwann taucht meer auf. himmel und wasser treffen sich dort hinten, ganz weit weg, ohne eine sichtbare grenze zu schreiben. das meer heißt puma aus stein und liegt in dreitausendachthundertirgendwievielenmetern höhe. nach vielen kurven am blauen vorbei passieren wir es schließlich, per fähre. wie ein see kommt es uns einfach nicht vor.



noch ein bisschen lassen wir die landschaft an uns vorbeifliegen, einige fahrgäste werfen tüten mit brötchen oder schokoriegel aus dem fenster, in einigen kurven warten kinder, denen man ihren lebensstil (ob sie diesem aus not heraus folgen oder nicht, kann ich leider nicht erkennen) ansieht, und rennen, um die almosen aufzusammeln. bald dann erreichen wir ein kleines städchen in einer kleinen bucht des gigantischen sees. copacabana. wir suchen und finden das billigste zimmer, schmeißen den kram ab, der uns leider überall immer als touristen (wenn uns jemand turisten nennt, sage ich, nein, reisende, und lächle über das glück, dass wir haben, uns hier so bewegen können…) verrät, und spazieren los. nach einer netten unterhaltung mit einem sturzbesoffenen chameur heben wir die knie. niemand von uns ist zuvor in so dünner luft gewandert. wir merken die höhe, aber wie wir sind, treibt es uns noch höher, also besteigen wir einen kleinen hügel, wo eine steinblockformation der inka nicht überzeugt in seiner monumentalität, was unsere mentalität, nicht zuletzt des ausblickes wegen, aber überhaupt nicht beeinträchtigt. auch andere unauffindbare relikte der hochkultur vor unserer zeit vermiesen uns nicht die gute stimmung. ein ausflug über peruanische kleinstadtgrabstätten, nun, zwischen solchen hindurch, fangespiel mit neben der straße angebundenen, aber gänzlich alleingelassenen, im müll wühlenden ferkelchen und allerlei anderes später gehen wir essen, aber so richtig, superlecker und authentisch forelle in dreierlei ausführung. verrückterweise ist die forelle das nummereinsgericht am see, obwohl sie dort garnicht natürlich lebt, sondern vor einigen jahrzehnten von kanadiern ausgesetzt wurde, die sich mit dem kleintier, was die europäer sich in die vier gläsernen wände stecken, nicht glücklich waren. …heißt es. sogar einen nachtisch, crepes mit pfirsicheis, gönnen wir pappnasen uns. warum pappnasen? hm…

donner holt uns aus unserem zimmer. es blitzt, rauscht, donnert und blitzt und blitzt immer wieder. der regen massiert den beton der stadt, die tausend flachdächer copacabanas fangen das köstliche nass auf. ich stelle mich in den wind und mein herz schlägt mit jedem blitzt ein bisschen mehr. ein echtes gewitter, wie aus dem bilderbuch, zieht uns über die köpfe, wie wunderbar. ein großartiges getöse… am folgenden morgen stehen wir früh auf, deutlich vor sonnenaufgang, und gehen los. unser ziel ist der zweite copacabana schützende berg, er bildet die landspitze, welche wiederum die bucht schließt. auf dem weg atmen wir mit anstrengung sauberste luft ein und passieren vierzehn kreuzstationen. der aufstieg ist teil des ganzen großen pilgerkults des kleinen städchens, das durch seine schutzheilige bekanntheit auf dem halben kontinent erlangt hat. oben angekommen, eröffnen sich uns zwei wirklich…



ich merke gerade… es ist so lange schon her, über einen monat schon… ich muss mich so konzentrieren, mir die dinge vor augen zu rufen, damit ich sie auch beschreiben kann… es ist ja doch gar nicht mehr wahr, nicht mehr authentisch, wenn ich weiterschreibe. was ich schreibe, lebt ja doch vom frischen blut.. es wirkt mir jetzt schon zu abgestanden, um es noch weiterforcieren zu können. hm… im moment funktioniert es einfach nichtmehr. vielleicht ist das ein teil des schreibertums. kommen wir also von stadtblockade in la paz zur schreibblockade hier auf meinem bett. verflixt, hab ich das wohl zulang vor mir hergeschoben.

wir haben die insel der sonne betreten, einen felsen gesehen, dem sonne und mond entsprungen sein sollen und der weiter links einen pumakopf formt, wonach der titicacasee benannt ist, sind eine ganze menge gewandert, haben weder bonbons noch kugelschreiber verteilt, haben für etwa vier euro ein hostalzimmer genommen (drei personen!), in diesem wahnsinns wasser gebadet (in solcher höhe ist wasser kalt…), lange auf dem schiefen steg gelegen, nachdem wir vorher von einer frau, die kein spanisch sprach, wie viele dorfbewohner, das letze sehr trockene brot des dorfes, ein paar bananen gekauft und auf dem platz von challa zwischen grasenden schafen den sonnenuntergang genießend, den aymarafrauen lauschend ein sehr wundertolles, schlichtes, echtes, unvergessliches abendessen eingenommen haben… wir haben einen mindestens intergalaktischen sternenhimmel gesehen (verfluchen wir den lichtsmog der ahnungslosen zivilisation).













wir haben auf dem weg zurück nach peru tatsächlich und ganz ganz ganz wirkliche echte frei lebende flamingos gesehen. das sind diese großen, superschlanken vögel, die mit unglaublich majestätischer – sobald man ihnen das schwuliprinzesschenhafte nimmt – austrahlung nur auf einem bein dastehen und von krebsegegesse ganz rosa leuchten und die man eigentlich nur aus dem zoo und disneyfilmen kennt, wo man ihre reale existenz immer anzweifelt. wir haben dann irgendwann puno erreicht, wo wir supergute steinofenpizza gegessen haben, nachdem einer der unzähligen geldautomaten uns das benötigte papier ausgespuckt hatte (wenn in copacabana nur ein einziger geldautomat existieren würde, gäbe es deutlich mehr umsatz… garantiert). von puno aus haben wir den obligatorischen tourimist gemacht und sind auf die schwimmenden schilfinseln des uro-volkes gefahren… was fürn komischer kram, so für den tourismus zu leben, sich zu verkaufen. kulturprostitution… dann haben wir uns auf den rückweg nach arequipa gemacht. zurückkommen. verrückt, die beiden mädchen hatten das gefühl nach hause oder so ähnlich zu kommen… für mich lag das auch nur noch wenig vorraus.




bevor ich in den bus nach lima stieg, stand jedoch noch etwas anderes an…