Montag, 13. Dezember 2010

am nächsten morgen

um die birne freizubekommen, lass ich mich um halb acht von meinem supersimpelhandy wecken, stehe auf, ziehe meine laufschuhe an, trinke ein glas selbstgemachte limonade und verlasse das haus.

bedenkend, dass ich seit zwei wochen zum ersten mal laufe, fühle ich mich erstaunlich gut. es ist nebelig über dem meer. ich komme am wasser an, setze mich in den grauen sand. der strand hat sich ein bisschen verändert. ich blicke nach rechts, an der landungsbrücke liegt im diesigen weißgrau ein mittelgroßes frachtschiff. ich blicke nach vorn, meer und pelikane. ich blicke nach links, mir fällt ein, was mein einziger deutschschüler gestern gesagt hat.

ich stehe also auf und laufe wieder los, am strand entlang. es liegen mehr dinge als sonst herum, kram, mancher müll und je weiter ich laufe desto mehr – und das wundert mich erst – grün. so eine art entengrütze und etwas ähnliches wie seerosen, die schwimmkörper haben, die vergnüglich unter meinen füßen platzen. was machen denn süßwasserpflanzen hier am strand? richtig, in den anden hat es angefangen zu regnen und die flüsse gen küste füllen sich mit wasser. die mündung des lurin ist mein ziel, weit bin ich nicht mehr weg, das verrät all der kram, der sich im winter im trockenen flussbett angesammelt hat und nun mit den ersten fluten ins meer geschwemmt wird. mein deutschschüler wohnt nah am lurin. ich sehe eine gruppe hunde. sie zerren zu fünft das wenige fleisch vom so rafiniert leicht gebauten knochen eines toten pelikanes ab, mich misstrauisch anblickend und sich beizeiten gegenseitig anknurrend. zwei meter weiter liegt ein weiterer hund. es sieht aus, als würde er träumen, den kopf auf die überschlagenen pfoten gelegt... aber er ist tot. ganz tot. ein malerisches bild gibt er...

einer der fünf hunde nähert sich dem leichnam, als wäre es ein schlafender gefährte, den er zum weiterziehen wecken könnte, dann schreckt er zurück, macht nur noch vorsichtig annähernde schritte, nimmt den noch feinen geruch war, begreift dann. sein gesicht verändert sich merklich, er begreift. erschüttert wendet er sich ab. ich bin ergriffen von diesem menschlichen moment... tu dann das gleiche und laufe weiter.

hier liegt ein schuh, da eine plastiktüte weiß ich was enthaltend. ich sehe die flussmündung. vor zwei wochen hätte man hier noch hinüberspringen oder durchs steinige, seicht auslaufende flussbett einige meter weiter oberhalb schreiten können. jetzt ist das unmöglich, das wasser aus den bergen hat sich in den sand gefressen und schon einen steinwurfbreiten strom gebildet, der in wirbeln auf die auslaufenden wellen trifft. süß und salzig, so verschieden. nass und nass, so gleich. der ganze strand rundherum voller kram und grün. ich gehe einige schritte flussaufwärts, dort sieht alles nach fließwasseridyll aus. hunderte möwen sitzen am ufer im flussgrün, zwischen ihnen gelegentlich ein schneeweißer – wie merkwürdig, hier von schneeweiß zu reden... - reiher. einige von ihnen setzen sich kurz vor dem beginn der abfallenden verwirbelungen in das flusswasser, lassen sich treiben und drehen sich dabei wie auf einem karussel, allerlei aus dem wasser sammelnd. in letztem moment, bevor der strom sich als halbschnelle durch die selbsgefressene miniatursandschlucht drängt, heben sie ab und fliegen 30 meter zurück, um das spiel von neuem beginnen zu lassen. ich setze mich auf einen großen stein etwas oberhalb des wassers und beim anblick der möven und ihrem jugendlichen treiben, beim anblick der pelikane, die etwas höher über meinem kopf kreisen, beim anblick der wasserkreisel und des hin und wieder vorbeiziehenden mülles versinke ich...

eine ganze weile später erlange ich mein bewusstsein zurück, so sehr war ich in gedanken, dass ich beinahe eingeschlafen wäre. und über was ich alles nachgedacht habe... die aufregung des vorabends ist vergangen. mein herz ist beruhigt, gestillt und der kopf um einigen querliegenden gedanken erleichtert. eine uhr habe ich dort am strand nicht. irgendwann mach ich mich ganz langsam wieder auf, laufe zurück. vorbei am hund, den eine welle auf den rücken gedreht hat, was ihn unglaublich dargeboten wirken lässt. vorbei an einer flachen senke voller meerwasser, worunter aus vielen vielen kleinen löchern luft aus dem strandboden sprudelt, eine sehr merkwürdige sache, die mich solange bannt, bis das wasser versickert ist und ich mich frage, woher denn die luft aus dem sand kommt. verfolgt von den fünf hunden, nein, es hat sich ein weiterer dazugesellt. als ich anhalte, um meine verkürzten muskeln vor dem rückweg zu dehnen, laufen sie links und rechts an mir vorbei, blicken mich noch kurz an, dann aber in richtung norden. was haben diese hunde für ein leben. so rau, bescheiden, frei, beschränkt, schamlos, schandhaft, so wiedersprüchlich... wenn ich ein hund wäre, wäre ich auch einer von denen hier, nicht einer aus der stadt.... hunde vom pazifikstrand...

wie gut haben diese zweieinhalb stunden getan...wie gut ist es, gelegentlich ohne zeit zu sein.

 

1 Kommentar:

  1. Ich will auch wieder am Strand sein. Am Meeeeeer. Und ich will Hildas Limonade und Marmelade. Und ich will tote Tiere sehen.

    Kinder mit'm Will'n kriegen was auf die Brill'n! Noch 2 Wochen :)

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