Samstag, 20. November 2010

ausflüge und liebeserklärung

nachdem ich heute mittlerweile endlich meinen ersten hitzeschlag gut auskuriert habe und die stelle meines nackens, die vergangenen sonntag tatsächlich blasen geschlagen hatte, mittlerweile eine hautschicht abgeworfen hat und nur noch knallrot ist, nachdem hildas kartoffelscheibchen die erste hitze nehmen konnten, nachdem ich eine fiebrige nacht mit dem gesamten verkehr limas in meinem kopf verbracht und jeden folgenden abend um neun ins bett gefallen bin, nachdem ich mittlerweile wieder kraft fühle, nachdem ich euch sage, dass ich genau hier sitze und genau dort ans meer komme, nach alledem setze ich meine genialen kopfhörer auf, steck das letzte stück ananas in den mund und erzähl euch was:


am strand liegt im sand ein toter pinguin.

ich fahre mit dem 81er passat die panamericana entlang.

ein paar tage später ein weiteres mal, nun ernsthaft. auf dem beifahrersitz francisco, auf dem rücksitz alina und nele. wir fahren gen süden. verlassen die besiedelten gebiete, nur selten passieren wir eines der schnellstraßendörfer. wir halten an einer tankstelle, an der motorhaube drückt sich wasserdampf vorbei. wir öffnen die klappe, der kühler kocht. derjenige, der ihn repariert hat, muss vergessen haben, den ventilator an den strom zu stöpseln. francisco stöpselt, der ventilator ventiliert und wir füllen das wasser auf. weiter geht es.

durch die wüste. wir sind in der wüste, hier nichts, da nichts. doch da rechts das meer. wir fahren an schildern vorbei, welche auf orte hinweisen, die sich schlafender löwe nennen, und überholen gelegentlich einen lkw. viel verkehr ist hier nicht. der tacho funktioniert nicht, das heißt, manchmal springt die nadel ein bisschen durch die gegend, aber das mehr zum spaß. so fahren wir und fahren wir, irgendwann verlassen wir die panamericana in richtung osten. wenn man von der küste nach osten fährt, so ist das in ganz peru, gelangt man früher oder später in die sierra. wir halten noch einmal an, um ein kilo erdbeeren zu kaufen, die größeren, besseren. umgerechnet 50cent... dann weiter. wir hören musik, fahren eine straße mit leichtem anstieg, essen die erbeeren, mit im auto sitzen drei sehr gut freunde, der himmel ist blau, der horizont kommt immer näher. ich denke, ja, ich bin wirklich glücklich...



wir schlängeln uns langsam hinauf, an einer stelle muss ich an die alpenausläufer der italienischen küste denken, etwas später an zentralnorwegen. unser weg führt durch tollste landschaftsgemälde. schließlich kommen wir in unserem zielort an: lunahuaná. wir parken das auto, ziehen die badehose an. mit einem kleinbus geht es nochmals 6kilometer entlang eines flusses aufwärts, im inneren wir und fünf paddel, auf dem dach ein großes schlauchboot. wir ziehen schwimmwesten an, setzen helme auf, das boot wird ins wasser gesetzt, juan carlos, der nichteinmal dreißigjährige, supernette besitzer des raftingschuppens erklärt uns die drei wichtigsten kommandos: vorwärts!, zurück!, paddel hoch!

dann steigen wir ein und stoßen uns ab. man sitzt auf dem großen schlauchrand und steckt die füße in laschen, das genügt an sicherung. der fluss packt uns, adelante! adelante! für uns alle ist es das erste mal, wildwaterrafting. nun gut, es ist frühling, der fluss führt nicht soviel wasser. im sommer gibt es starke niederschläge in der sierra, erst ab januar kann man den fluss als wildes wasser bezeichnen. für das erste mal sind wir aber durchaus glücklich und werfen uns mit freude in die eine oder andere stromschnelle. nass werden ist ganz wichtiger bestandteil dieses sportes, erstaunlicherweise ist das wasser überhaupt nicht kalt, ziemlich angenehm sogar, fast warm. irgendwo weiter oben muss es becken geben, in denen sich das wasser unter der sierratypischen sonne erwärmt hat. so legen wir unterhalb eines wirklich großen steines an und gehen baden, mit weste, helm und schuhen. denkt euch nur, was für ein panorama... weiter unten sehen wir zwei männer in neopren mit riesentaucherbrille. sie fangen flusskrebse. diese tiere landen hier nicht selten auf den tellern. und noch weiter unten unterqueren wir eine urzeitliche konstruktion: wir bremsen das boot, um zuzusehen, wie eine frau die seilbrücke entlangrauscht.

als wir wieder trockene kleidung anhaben, wird es schon dunkel, innerhalb einiger minuten ist nacht. wir steigen ein, wenden und fahren talwärts mit dem plan, unbedingt im sommer nocheinmal herzukommen...

im dunkel die panamericana entlangzuheizen recht sich dann, wenn es ungekennzeichnete baustellen gibt, in die man mit vollem elan hineinballert, ein loch nach dem anderen, mit einem giganten von lkw im nacken, der beim passieren der asphaltöffnungen - zu unserem lebensglück nur die oberste schicht, ein paar zentimeter - einen höllenlärm macht und mir somit verbietet zu bremsen. mit der zeit zieht der gute passat nach rechts, ich denke, ach je, wir haben uns die frisch eingestellte spur zerballert, ein wunder, dass die achsen nicht den geist aufgegeben haben. plötzlich palapp palapp palapp palapp, autsch. bremsen, rechts ran, raus mit taschenlampe und das unglückchen erkennen: er ist platt, warum unglück, wir haben doch einen ersatzreifen im kofferraum... nur hat dieser ersatzreifen keine felge... francisco springt auf den nächsten bus auf und kommt eineinhalb stunden später mit gepflicktem gummi  zurück. wie hat er uns hier in der tiefschwarzen pampa gefunden? einsame warnblinker.



am nächsten morgen habe ich glücklicherweise aufgrund nicht so wichtigen unterrichts die möglichkeit die beiden mädchen auf die ruinen von pachacamac zu begleiten. sie gehören zur kulisse meiner laufstrecke, jetzt treten wir ein. das museum ist gut, erzählt viel, aber irgendwie fliehen wir ein bisschen vor der weißhäutigen reisegruppe. dann geht es ins gelände. man hat einen schotterweg angelegt, damit die touris nicht auf den alten steinen herumklettern. wir sind so gelangweilt und unbefriedigt, dass man nichteinmal die nord-süd-straße entlanggehen darf. also nutzen wir den ersten punkt, an dem statt des sonst eindeutigen betreten-verboten-schildes nur ein vorsicht-gefahr-schild geradezu einladend lächelt, und verlassen den weg. ab in die ruinen, ein bisschen sand, dann die minipyramidenrampe hinauf:

zwischen den mauern hin und her. auf dem obersten stein stehend sehen wir endlich, was es hier zu sehen gibt, aber allen vorenthalten wird. allerdings war das ein fehler, man sieht uns und bittet uns mit apell an unsere intelligenz, die ruinen zu verlassen. also folgen wir wieder dem schotterweg und versuchen unter größter anstrengung mithilfe neles motivation die spirituellen kräfte aus dem boden in unsere knochen fließen zu spüren, rufen das uralte orakel an. ich bekomme keine antwort. stattdessen essen wir eine banane mit tollem ausblick über die küste...


den letzten nachmittag gilt es genauso auszunutzen. passat spiel mit, geh an (mitlerweile ist das anspringproblem behoben, der elektriker hat ihm einen knopf ins alte brüchige amaturenbrett verpasst, auf dem START geschrieben steht. das funktioniert auch und lässt mich jetzt jedesmal über die pseudomodernität und improvisationsmentalität lächeln). er spielt mit, geht an, geht aber wieder aus. passat, spiel noch einmal mit, geh noch einmal an und bleib an. er spielt nicht mit. er spielt nicht mit. er spielt mit, er geht an, ich latsche, bis er ein bisschen warm ist, dann bleibt er an. nele nach rechts, alina nach hinten, alle nach süden.

wir fahren die gleiche strecke wie am vortag, auch diesmal vorbei am playa de silencio, verlassen die straße aber relativ früh. punta negra empfängt uns, die dämmerung lässt sich schon spüren. wir suchen den zugang zum meer. hier nicht richtig, hier zu hoch, hier auch nicht, aber hier. wir parken unseren silberpfeil auf einem parkplatz, der für die besucher der cevicherien gedacht sein muss. die holzschuppen sind verschlagen, der parkplatz leer. parkplatzsuche: immer gerade immer grade, motor aus und rollen, bis er irgendwo stehen bleibt, parkplatz. wir blicken nach rechts. sagen können wir nichts. in halbem laufschritt. klamotten aus, auf den sand gelegt, ein kleiner haufen. es ist kalt, aber das ist das glück, im sommer sind hier menschen, jetzt nur wir.

der wolkenverhangene himmel färbt sich leicht lila, es wird dunkel. wir gehen nach westen, zehn schritte, schon mit den füßen im wasser, kalt, 10 schritte weiter, nass machen, sonst hält man es nicht aus, 10 schritte weiter, ich vergewissere mich, dass meine kette gut zu ist, die darf ich nicht verlieren, aber auch nie abmachen, dann sehe ich geradeaus. zu meiner linken ein hoher, unheimlich schroffer und pechschwarzer fels, daneben stürzen sich große möwen und pelikane mit angelegten flügeln in die fluten, als wollten sie sich mit aller leidenschaft in den tod stürzen. am horizont ein lilafarbener schleier zwischen den wolkenschlieren. die sonne setzt sich so schnell, sie ist schon halb verschwunden, als ich die arme ausbreite, so viel salzige luft in meine lungen pumpe, wie sie aufnehmen wollen, aus voller brust schreie und die riesige, wenige meter vor mir brechende welle mit dem wunsch, sekunden lang orientierungslos zur spielfigur des mächtigen ozeans zu werden, erwarte...

ich schließe im letzten moment die lider, die ersten schweren tropfen schlagen mir ins gesicht,  ich schalte auf zeitlupe, nehme jeden tropfen wahr, spüre die luft, die das wasser vor sich herschiebt, dann packt das meer mit aller gewalt meinen rumpf. die gischt stößt mich vor sich her, nimmt mir oben und unten, nimmt mir statik, nimmt mir licht und luft, nimmt mir welt und realität, um mich dann rollend, tosend und wie eine wilde herde fauchend unter sich zu begraben, mich zu falten, brechen und kneten, alle luft aus mir herauszupressen und mir zu sagen.

ich bin der ozean
mein reich kommt
mein ist die kraft
mein ist die herrlichkeit
ich bin ewigkeit

ja ozean, ich vergöttere dich
du gibst mir

3 Kommentare:

  1. Ach wie toll, ein kleiner Rückblick durch Nückos Augen, sich nochmal alles vorstellen... Sowas gehört wiederholt, wir haben morgen eine Audienz beim Padre, dann wird Neujahr klar gemacht. Uiuiui, da freu ich mich doch schon sehr.
    Achja, dass du das Orakel nicht gespürt hast, liegt an deinen Sohlen. Selber Schuld, ich hatte Empfang! (Wo doch auch schon am Tag vorher die Weisheit sprudelte, denk nur an die Schuhe!)
    Irgendwann springen wir nochmal in den Pazifik :)

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  2. ich will bei dir sein.

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  3. alter schwede, ich glaub einen neuen rekord im luftanhalten aufgestellt zu haben.

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