Donnerstag, 27. Januar 2011

episode zwei

im engen kombi sitzen wir und fahren durch eine landschaft, die uns ganz unwirklich vorkommt. es gibt grün zu beiden seiten, so weit das auge reicht, auf der linken seite genaugenommen bis zum ufer des riesig wirkenden sees, auf der rechten die hänge hinauf bis zu den bergkämmen. wir leben über drei monate in peru und sehen jetzt zum ersten mal natürliche wiesen, grasflächen, das grün leuchtet, unsere augen sind an solche saftigen weideflächen nicht mehr gewöhnt. es ist toll, wir fahren durch die endlose grüne hochpampa, befinden wir  uns doch immerhin in dreitausendachthundert metern höhe über dem meer. hier und dort stehen kühe, esel, schafe, sie mustern kauend den vorbeifliegenden silbernen kasten, mal eine lehmziegelhütte, sonst aber wirklich nicht viel. die sonst wohl lebendigere landstraße ist leer, irgendwann gibt es eine kontrolle, wir wissen nicht warum, müssen aussteigen, das gepäck auf dem dach des kombis lassen und hundert meter ein bisschen abseits der piste laufen, am ende zwischen zwei jungen soldaten durch, die aber nicht wirklich konzentriert wirken, unifomiert, grinsend, erzählen sich irgendwelche geschichten und spielen karten. dann geht es weiter, die straße zieht sich schnurstracks durch die weidenlandschaft, irgendwann tauchen am horizont häuser auf, wir nähern uns städtischer zivilisation, aber bald verringert der fahrer die geschwindigkeit, in einigen hundert meter entfernung tauchen menschenmengen auf, rauch steigt in den himmel. er hält an, wir steigen aus, weiter will er nicht, auch andere kombis haben ihre fahrgäste hier schon abgeladen. schließlich schnallen wir uns die rucksäcke auf und gehen los, eigentlich nicht genau wissend, wie es weitergehen soll, weil der weg zu fuß bis nach la paz noch viel zu lang wäre.


wir passieren steine, die die straße blockieren, brennende reifen, glassplitter. irgendwann winken wir einem der wenigen kombis, die noch weiterfahren, er hält an, rucksäcke aufs dach, rein in die kiste. bald wird deutlich, dass über diese straße niemand in die stadt kommt, der fahrer entscheidet, runter hier, bevor es steine hagelt. also ab auf die sandstraßen, bald feldwege, immer wieder hält er an, überlegt, wie es weitergehen könnte. einige bachbetten müssen mir durchqueren, ohne zu wissen, wie tief sie sind, wir rumpeln über stock und stein, nähern uns nur sehr langsam den häusern und genießen diese so fremdartig geheimnisvollen laute des aymara, in dem uns die frauen im bus baden... nach stundenlangem gesuche kommen wir in nebenstraßen an, an jeder ecke schaut der fahrer vorsichtig, ob an der nächsten demonstranten warten. die staubigen mauern der grundstücke sind mit politischen ausrufen bemalt, das kennen wir auch aus peru, was hier neu ist, steht nicht nur an einer wand und erschreckt mich in seiner aggressivität: RÄUBER WERDEN LEBENDIG VERBRANNT! da fällt mir ein, wie ich in peru in den nachrichten einmal gesehen hab, wie ein nackt an einen laternenpfahl gebundener mann von den umstehenden leuten getreten und geschlagen wurde, immer wieder, immer wieder. er heulte und entschuldigte sich und bat um gnade, aber immer wieder fliegt im eine faust ins gesicht, und die ganze zeit hält die kamera drauf. selbstjustiz, wo öffentliche ordnung - unabhängig davon, ob öffentliche ordnung nun etwas gutes ist oder nicht (wir befinden uns in südamerika, hier bietet die prädemokratische geschichte viele beispiele für schlechte öffentliche ordnung) – versagt, greifen die nachbarschaftsverbünde zu den mitteln, die sie für angebracht halten… mir läuft ein schauer über den rücken.

mitten in el alto steigen wir aus, bedanken uns beim kombiehepaar und setzen die rucksäcke erneut auf. es ist eine breite breite straße, aber es gibt keine autos, nur hunderte menschen, gelegentlich ein motorrad, die müssen aber auch aufpassen, nicht in eine menschentraube zu geraten… evo, der bolivianische präsident, ist indigeno, hat seinem volk viel gutes getan, die armen des landes unterstützt, ist seiner herkunft treu geblieben und wurde immer von den indigenas des landes gefeiert. am vortag hat er allerdings per gesetzt eine enorme benzinpreiserhöhung bewirkt. in einem solchen land, in einer solchen stadt bedeutet das, dass alle preise von allem ansteigen, der transport von obst, gemüse, baumaterialien kostet mehr, der öffentliche verkehr muss die fahrpreise erhöhen, die taxifahrer ebenso. viele bolivianer, besonders die bewohner el altos, treibt das an den rand der existenznot. deshalb sind sie auf die straße gegangen, überall im land, besonders in el alto respektive la paz, wo das politische geschehen des ökonomisch schwachen landes stattfindet. und deshalb haben sie eine große wut gegen diejenigen, die das auto doch noch bewegen und nicht protestieren. letztendlich nimmt uns aber doch noch ein taxi ein stück mit, wieder laufen wir weiter, sehen, dass die bolivianische stadt der peruanischen sehr ähnlich sieht, vielleicht nur geringfügigdreckiger oder weniger sortiert, wieder eine mitfahrgelegenheit, wieder laufen, dann plötzlich merke ich, wir sind am rand des topfes angekommen. rechts führt eine kleine gasse zwischen den häusern entlang. an einer kniehohen mauer bleiben wir stehen, mit offenem mund.







es ist unglaublich, also auch unbeschreiblich und im grunde auch nicht fotografierbar. uns zu füßen liegt eine millionenstadt… einen ganzen moment müssen wir diesen blick aufsaugen, einfach dastehen und glotzen… voll entschädigt für die umständlichkeiten des weges bis hier her, wirklich ganz und gar zufrieden setzen wir uns ein letztes mal in ein taxi, welches uns durch leere in den topf fallende straßen bis zu unserem hostel fährt. ab ins zimmer, rucksack ablegen, ein schluck wasser und dann wieder nach draußen. wir treten vor die tür, stehen an einer der zentralsten straßen von la paz und hören parolen, knallkörper und andere geräusche, die menschenmassen eben machen, in der ferne und folgen diesem lärm, bis wir plötzlich mitten in dem demonstrierenden strom stehen, plakate fluchen gegen die preiserhöhung, gegen den in der letzten woche noch gelobten präsidenten, die leute schießen knaller in die luft, die wirklich erschütternd explodieren, und verbrennen reifen mitten in der demonstration. das ganze schiebt sich einen block unterhalb der plaza murillo entlang, nach oben versperren polizeiblockaden den zugang zum wichtigsten platz der stadt, an dem staatspalast und andere politische zentren liegen. berauscht von der revolutionsgewalt, von dem heißen blut der bolivianer, von den rythmischen parolen lassen wir das auf uns wirken, ich denke, ja revolutionstourismus, an der grenze wussten wir nichts, jetzt sind wir angekommen, in la paz, mitten in der revolution. ich bin in diesen gedanken vertieft, als diese menschenmenge plötzlich umkehrt und die straße hinabrennt, ich wundere mich noch, was denn nun passiert sein könnte, da jagt es mir schon tausend feine nadeln in die nase, den gaumen und schließlich die augen. tränengas… ich kann nicht unterbinden, mich wegzudrehen, zieh mir das halstuch vor die nase, aber wir wollen nicht wirklich weg, also bleiben wir, die demonstranten kehren zurück und vor den nächsten tränengaswellen flüchten schon viel weniger, auch wir nur so halb. tränender augen strahle ich, glaube ich, ja, verdammt, leben, ganz echt, nicht aus den nachrichten, ich spür das gift mit allen sinnen, mir treten die menschen auf die füße… 

bald gehen wir hinunter auf die große hauptstraße, die wie so viele wichtige verkehrsadern auch in peru nach irgendeinem datum benannt ist, was nicht ungern der jahrestag einer großen niederlage gegen die chilenen beispielsweise ist, zur ehrung der gefallenen vaterlandsverteidiger. auch hier spielt sich jetzt das chaos ab. plötzlich hört man den lärm meherer großer motorräder, jetzt fliehen die menschen wirklich, wir halten uns hinter ein paar zeitungskiosken auf. dann jagen an die zehn knallrote polizeimotorräder vom plaza murillo hinab, mit fahrer und hinten ein mit rauchgranatenwerfer bewaffneter zweiter polizist. mit großer aggressivität und in formation fahren sie immer wieder die straßen hier entlang, ihre rauchenden atemgiftdosen werfend, brennende reifenzeitungmüllhaufen löschend und die menschen auseinander treibend. immerwieder rotten sich aber auch die demonstranten zusammen, rufen sich gegenseitig zu, kommt, kommt zusammen, nicht davon laufen, los!! wir lassen uns nicht stummmachen!

irgendwann merken wir unsere mägen und gehen essen, gehen noch ein bisschen über die märkte, die mitunter seltsame sachen anbieten und schließlich fallen wir müde ins bett, die straße ist wieder ruhig, es gibt wieder verkehr… ich wundere mich noch, aber später hör ich, evo hätte die preiserhöhung rückgängig gemacht, oder so ähnlich zumindest.

den nächsten morgen, den letzten tag des jahres, beginnen wir mit einem gemütlichen und ganz hetzlosen spaziergang über den großen markt des indigena viertels von la paz, wir decken uns mit allerlei leckereien ein, getrocknete  pfirsiche, in honig geröstete erdnüsse, bananenchips, mürbe leckere kekse, wässrige rote gelantine mit wiederlicher sahneirgendwas obenauf, rote bananen, von einem mann mit sternen auf seinen goldzähnen frisch gepressten orangensaft und dergleichen. ich stelle zum wiederholten male fest, dass die märkte zu meinen absoluten lieblingsorten gehören hier in südamerika, als fotograf ganz besonders, aber nicht nur das… la paz hat volle straßen, voll von menschen, voll von autos, wir lassen uns tragen, hierlang, dalang, hierher und daher und genießen… während sich unsere blicke in den tausend verkauften dingen und den vielen fangenden gesichtern verlieren, hören wir plötzlich: TAUSEND DOLLAR, EINTAUSEND DOLLAR, FÜR EINEN BOLIVIANO TAUSEND DOLLAR. da der boliviano – ja  es ist ein vergnügen, dass die währung wie die bewohner des landes heißen, übelegt nur mal, wie man mit einem halben boliviano bezahlen würde – ein zehntel des wertes des euros hat, wundern wir uns schwer, denken, wir haben eine absolute börsenkatastrophe verpasst… nun,  für zehn eurocent bekommt man nicht oft eintausend dollar, also schlagen wir zu. man erklärt uns dann aber, dass dieses papiergeld in der nacht zum neuen jahr gezählt wird und damit glück bringen wird. nun gut, da die scheine nicht nichteinmal monopolyqualität haben, werden sie zu mehr wohl wirklich nicht langen.













für den nachmittag haben wir uns den regierungsteil des stadtzentrums vorgenommen. die plaza murillo ist heute ganz normal zugänglich, wirkt aber nicht, wie der ort, an dem die geschicke des landes entschieden werden, es hat etwas kleinstädtliches, wenn überhaupt. dafür kann der platz eine höhere taubendichte aufweisen, als alles, was ich bisher gesehen habe. der ganze boden krabbelt und flattert, ich lerne ein paar ganz besondere fotomodelle kennen…











nachdem wir durch ein paar kleine, mediterran anmutende gassen flaniert sind gelangen wir irgendwann wieder ins hostal, von wo aus wir aufbrechen, um etwas sehr merkwürdiges zu tun. ich tippe ganz merkwürdig die telefonnummer meiner berliner heimat ein, es klingelt, es klingelt, der anrufbeantworter geht, ran mein herz würgt ab. die stimme meines bruders… so fern, so unwirklich und doch so vertraut und geliebt. er lädt mich ein, nach dem piepton doch eine nachricht zu hinterlassen. ich zögere, aber dann wünsche ich meiner familie ein ganz besonderes jahr, ein bewegtes und aufregendes... genau das bin ich in diesem augenblick, ich bebe vor aufregung und rührung. dann lege ich auf. viele stunden, bevor mich das neue jahr begrüßt. hier ist das jahr einfach stunden später zuende… 

merkwürdig. ich werde also das längste jahr meines lebens beenden… wir legen uns ins bett und schlummern.

Montag, 17. Januar 2011

episode eins

machen wir uns auf den weg, denke ich und lege meinen rucksack in joses kofferraum. er hat das auto in lima gekauft und fährt es nach arequipa, um es dort mit gewinn zu verkaufen. welch glück für mich. eine halbe stunde habe ich ganz amateurhaft an der panam gestanden und mit gestrecktem daumen gewartet, dann hat er angehalten. wohin willst du, fragt er, ich sage, nach süden irgendwie, vielleicht ica, vielleicht ein bisschen weiter… naja, ich fahr weit nach süden, wo willst du genau hin? ich hoffe, morgen in arequipa anzukommen, das ist mein ziel. prima, ich fahr nach arequipa, steig ein. ich steige ein und wir fahren los. ich bin ein mensch mit manchmal ganz erstaunlichen mengen glück.

ein ganzes stück kenne ich schon, aber irgendwann denke ich: nun nicolas, so weit im süden dieser welt bist du noch nie gewesen… wir fahren und fahren und die landschaft verändert sich stündlich, mal sehen wir den ozean, mal nicht, mal wird es schroffer, mal sandiger. plötzlich bemerke ich, dass wir auf einer schnurgeraden linie fahren. jose, ich glaub, ich muss mal ein foto machen. wovon? von, ähm, von dem nichts. hast du schonmal so ein nichts gesehen? nicht, dass ich mich erinnere…



wir fahren weiter, immer weiter, immer immer weiter. mal gibt sich hinter einer hügelkuppe plötzlich der blick auf ein ganz und gar grünes tal auf. tausende olivenbäume stellen einen enormen kontrast zu dem dar, was sonst zur rechten und linken an uns vorbeifliegt. immer wieder wüste, mir ist vorher gar nicht klar, was für unglaublich unterschiedliche wüsten es gibt. nun passieren wir unterschiedlichste sandkörnungen und geröllgrößen, vom wind malerisch geformte dünenformationen, mal schwarz, mal rötlich, mal weiß… und die straße verläuft die meiste zeit recht stracks gen süden. irgendwann dunkelt es, in unserem rücken geht die sonne im pazifischen ozean baden und schenkt dem himmel unfotografierbare farbspiele.



ich folge mit meinen augen dem licht der scheinwerfer, sonst nur schwarz, tiefe, undurchdringbar überzeugende nacht. hin und wieder begegnet uns ein bus, der gefährlich weit in die kurven hineinfährt, durch ihre lichtwand, die sie vor sich herschieben, ist man aber rechtzeitig gewarnt. gelegentlich wird rechts im streulicht sichtbar, dass nach ende das asphalts noch ein bisschen sand kommt, vielleicht mal eine schroffe kannte, dann aber wirklich nichts. ich vermute ein paar hundert meter unter uns das meer… wellen schlagen von niemandem gesehen oder gehört gegen die ausläufer der anden, nie innehaltend.

irgendwann, nachdem wir schließlich doch vom ozean ins landesinnere gefahren sind, überqueren wir eine passartige straße und vor uns breitet sich ein riesiger lichtteppich aus: arequipa! ja, denke ich, arequipa, ich komme! dann bald (bei dunkelheit durch peruanische städte fahren ist immer ganz merkwürdig, vor allem die außenbezirke wirken dann so schroff, alle häuser ganz verschlossen, kein mensch auf der straße, nur hin und wieder ein streifender hund… das alles im merkwürdigen gelben licht der straßenlaternen. unlebendig irgendwie.) setzt jose mich vor dem kinderheim zweier freundinnen ab. angekommen, fünfzehn stunden, viel schneller ist kaum möglich und komfortabler mit sicherheit nicht. das war zwar eigentlich nicht meine idee, aber jetzt bin ich froh, so früh bei den mädchen angekommen zu sein, gebe jose die vorher vereinbarten dreißig soles (das sind etwa neun liter benzin, also fast nichts) und verabschiede mich mit einem festen händedruck. da werde ich auch schon von nele und alina in empfang genommen – was nach über vier monaten schon eine wirklich ganz merkwürdige sache ist, aber sich sofort so gut anfühlt… -, es ist mitternacht, wir quasseln noch eine ganze menge, dann gehen wir schlafen. etappe erfüllt.



wir verbringen einen guten ersten tag, zum teil im gelben kinderschlepper ihres kinderheimes, zum teil im stadtzentrum der weißen stadt. abends gibt es heimlich ein bisschen vorbereitung und um mitternacht darf nele in die küche und die kerzen ihres geburtstagskuchens ausblasen… versuchen… tadaa, das sind gehennichtaus-kerzen. irgendwann aber schon. das licht in unseren zimmern erst deutlich später.

heute fängt gut an, nele und ich gehen einfach los, stadtauswärts, bergauf. synonym: gen armut. bald aber gehen wir hinunter zum rio chili. mit viel sand in den schuhen kommen wir unten an und setzen uns auf die großen großen steine im flussbett. es duftet gut, sehr gut und es klingt noch viel besser… dieses rauschen! als limeñer hab ich sehr wenig wasser in meinem leben, es fühlt sich so gut an, zwischen diesem leben zu sitzen. ich forme meine hand zu einer kelle und trinke, oh wie gut. zuviel lieber aber nicht, wer weiß, welche fabrik weiter oben was ins wasser leitet. wir sitzen eine ganze weile einfach so dort. irgendwann klettern wir ein bisschen flussabwärts und schließlich entfernen wir uns durch die alfalfafelder (was für ein wort…) wieder vom chili, rauschen im rücken. eine kleine unterhaltung mit einem schafhirten später treten wir aus dem grün wieder in den sand, viel viel grün hat arequipa auch nicht. auf dem weg nach oben rasseln an uns einige lkws vorbei, der boden bebt. wir laufen, vertieft in weiß gott welche themen, als plötzlich etwas großes über unsere köpfe segelt. uns klappt der mund auf, es ist wirklich etwas großes, wir sind uns nicht sicher, was es ist, aber ja, es ist groß, so einen großen vogel hab ich noch nicht gesehen. vielleicht ist es ein echter andenkondor.. wenige meter über unseren köpfen, in den krallen eine taube. majestetisch mit erhabenem flügelschlag aber vor allem die aufsteigende luft nutzend, hebt er sich in die höhe, immer weiter, wir folgen ihm, den kopf in den nacken gelegt, bis er schließlich das tal kreuzt und wir ihn in der ferne aus den augen verlieren… ein kondor… naja, immerhin ists nicht unwahrscheinlich, und als wir später nachsehen, wie ein kondor auszusehen hat… naja, wir glauben also, wir haben einen andenkondor gesehen, ganz nah. komisch ists, da ist der kondor so etwas markantes für unser land hier, und im entscheidenden moment weiß man ihn dann nicht zu erkennen… ein geburtstag in arequipa. reiseführer aufgeschlagen und nachdem wir erst nen amüsierend enttäuschenden fehlversuch gestartet haben, fahren wir irgendwie nach osten in einen kleinen vorort. dort machen wir quatsch und außerdem machen wir etwas, was von uns niemand vorher gemacht hat: reiten. 




nele hat geburtstag, also reiten wir eine runde, nun gut, die pferde kennen den weg in und auswendig, aber dennoch haben wir ein unheimlich gutes gefühl. plötzlich haben wir lust, richtig reiten zu lernen. wir fahren irgendwann irgendwie zurück zu den beiden nachhause und sind eigentlich einfach glücklich, zusammen ein bisschen freie zeit zu haben. zu reden gibt es ja tausend dinge und mehr.


am folgenden tag machen wir uns abends mit gut gepackten rucksäcken im engen combi (so gehört das hier eben) zum busterminal auf. als unsere rucksäcke im bauch des großen blauen wals verschwunden sind – die kistenweise gestapelten hühnerküken werden entgegen meinem vorschlag an den fahrer nicht aufs dach geschnallt, sondern bleiben noch ein bisschen in qrequipa – ist es bereits dunkel und mit ganz viel wühlender vorfreude fahren wir los. um die busfahrt zusammenzufassen: es wird superkalt, mein sitz lässt sich nicht umstellen, die tot wirkenden, gelborange beluchteten städte, die am stark beschlagenen fenster vorbeiziehen, haben etwas so seltsames und statt zu schlafen, beobachte ich sand, felsen und straßenschilder. endlich nicht bequem reisen, endlich die kilometer auch wirklich spüren, ja so stell ich mir das vor. um zwei uhr nachts hält der bus in puno, das liegt auf unserem reiseplan aber ganz viel weiter unten, und so vertreten wir uns die beine, ich denke, oh krass, und wir steigen wieder ein und fahren noch zwei stunden nach desaguadero.

er hält, all die menschen im gang sind so dick eingewickelt in mützen, jacken und decken, dass sie in der dunkelheit ganz unheimlich aussehen. schnell aussteigen und rucksäcke sichern, dann irgendwann lassen wir uns von einem fahrradtaxi bequatschen, der weg zur grenze sei noch weit. als wir nach 3minuten langsamen radgefahrenwerdens auch noch das doppelte des besprochenen bezahlen sollen, pack ich aus, was ich mir an redefähigkeiten und eingeweihtheit schon angeeignet hab. zwei maulige radtaxistas zurücklassend suchen wir ein kleines teelokal auf: ein tisch, zwei bänke, über alles einige blaugraue planen. die leiterin dieser heißwasserschenke macht uns manzanilla: kamille, noch richtig getrocknet mit wasser aufgegossen. unendlich glücklich trinken wir, langsam macht sich wieder fließendes blut bemerkbar, wir wärmen uns ein bisschen auf. während wir dort sitzen, spricht die alte hin und wieder mit wem vor dem zelt. aymara. preinkanische sprache südperus und nordboliviens. es klingt so fremd, wir lauschen mit ganz neugierigem herzen den ungewohnten kratz und knacklauten… da die grenzbehörde noch lange nicht aufmacht, vertreiben wir uns die zeit mit menschengucken und in der aufgehenden sonne aufwärmen lassen. von verschiedenen ecken hört man das gerücht, dass sich bolivien im sonderzustand befinde. aufgrund gestriger benzinerhöhungen durch die regierung seien die menschen auf die straße gegangen und blockierten seit mitternacht jegliche zugänge zu den großen städten. wo wollen wir hin? la paz. la paz ist dicht, kein reinkommen. mit hin- und herüberlegen verbringen wir allerlei zeit. frauen schieben mit vielen ziegeln schwer beladene wagen vor sich her, an kleinen holztischen wird geld gewechselt, nicht selten wohl auch falschgeld, immer mehr erwacht der grenzplatz zum leben, wir gehen auf die grenz brücke, mir bleibt der atemn kurz weg, eröffnet sich mir dort doch ein unglaublicher blick auf den südlichen ausläufer des titicacasees – wow, das wird eine geniale reise und nein, ich brech hier nicht ab, auf nach la paz, egal wie, und wenn wir laufen müssen oder uns außerhalb nen bett suchen, bis sich die lage nach ein oder zwei tagen entspannt hat, nach la paz, la paz la paz! – und dann plötzlich fährt dort ein combi entlang, der allen ernstes, ich dachte ich träume, zwei lamas aufs dach geschnürt durch die gegend fährt. ich muss lachen, obwohl die armen dinger da oben kaum ihren kopf heben können, so unbeschreiblich grotesk ist der moment und wie zur hölle haben die zwei so große, starke, widerspenstige tiere darauf bekommen, das ist immerhin vwbus-höhe... ich denke, ich müsste mich hier mal mit nichts außer papier und stift und zeit hinsetzen und schreiben, grenzimpressionen…


als wir endlich unsere peru-ausreise-stempel haben schließen wir uns mit drei peruanern zusammen, die in den bolivianischen regenwald wollen und dafür auch nach la paz müssen. abschiedsschild peru, willkommensschild bolivien (wie lustig sich das bolivianische geld anfässt und wie es aussieht, macht uns lachen, außerdem heißt es, genau wie die bewohner des landes, schlicht und missverständlich „bolivianos“) und einreisestempel bolivien. dann lange suche und diskussion mit den taxi- und combifahrern, die an normalen tagen in hoher frequenz zur nichthauptstadt boliviens fahren, heute aber keinen spaß an der vorstellung finden, die scheiben von straßenblockierenden aufständischen eingeschlagen zu bekommen. dann finden wir irgendwann glücklicherweise aber doch platz in einem combi, der zumindest an die stadt el alto heranfahren will. el alto… im grunde hat was was legendäres. la paz liegt in einem sogenannten topf, als der topf mit menschen voll war, haben sich die immer mehr zuziehenden indigenen landflüchtlinge hoch (=alto) am rand des topfes angesiedelt. mittlerweile hat el alto beinahe die gleiche einwohnerzahl wie la paz selbst, fast ausschließlich indigener ethnie, und eine eigene stadtverwaltung. irgendwie wie ein doppeltes spiegelei. (komischer gedanke?) 

das ist, was wir vorher wussten.