Samstag, 25. September 2010

la ciudad y los perros

auf der suche nach etwas essbarem... oder wohlmöglich nur, weil er unverbrauchbar viel zeit hat, streift ein hund durch die straße, ohne dabei mit dem linken vorderlauf aufzutreten. sein fell ist steif und matt, am rücken kaum dichter, als am kahlen bauch. er hält bei jeder bermerkenswerteren müllansammlung inne, blickt sich um, betrachtet das farblose durcheinander, findet vielleicht etwas, nichts gesundes in jedem fall. er inhaliert die luft von jose galvez, dem distrikt, in dem er lebt. sie ist angefüllt von dem staub der wüste, den abgasen des vorbeifahrenden käfers. dessen blech ist durchfressen von rost, die reifen haben kein profil, aber der motor läuft seit dreißig jahren. dem käfer folgt zufällig ein motorisiertes dreirad, der fahrer ist vermutlich etwa sechzehn jahre alt und hat auf dem lenker eine lautsprecherbox befestigt, die mit aproportionaler lautstärke musik in den äther bläst. einen moment später ist es wieder still. über die straße sind unzählbare telefon- und stromleitungen gespannt, die zwischen den häusern ein netz bilden. die häuser sind nicht selten im bau, da wird ein stockwerk aufgebaut, dort ein fenster repariert. im eckhaus ist ein kleiner laden, der nicht begehbar ist. gelegentlich ruft jemand „senora“, dann kommt eine frau aus den hinteren räumen, wo sie gerade für ihre familie und die deutschen freiwilligen kocht oder das wohnzimmer putzt, um dem kunden ein paar kekse, backpulver und drei dosen mit makrelenfleisch zu verkaufen. über dem laden ist ein kleines internetcafe, das über eine enge wendeltreppe zugänglich ist. wiederum oberhalb ist die dachterasse des verwinkelten und offenbar jedes jahr ein bisschen erweiterten hauses. als ich am morgen meiner ankunft dort oben stand und um mich blickte, war ich von dieser stadt und im besonderen diesem armen wüstengrauen distrikt schon so erfüllt, dass ich ein unbegreiflich spannendes und intensives jahr vor mir liegen sah.

Ich habe ein zimmer, eine ausschließlich sehr kalte dusche, eine der schulen, in der ich arbeiten werde, direkt gegenüber, die andere innerhalb von fünfzehn fußminuten erreichbar. anna und ernesto, sie ukrainische deutsche, er halb kubanischer deutscher, sind schon seit einem monat hier, beide sprechen unheimlich gut spanisch. ich nicht, verstehe das allermeiste nicht, besonders die hastigen kinder, die kleine gruppe zahnloser und alkoholisierter männer am straßenrand, die routinierten frauen auf dem markt... ich verstehe einfach sehr viel nicht. sprechen kann ich noch viel weniger. ich lebe noch in einer sprachwelt einzelner wörter...

es ist gut, hier zu sein. es gibt keinen besseren ort. und die menschen hier sind die richtigen.
ich habe viel zeit, aber jede sekunde ist gefüllt. ich gehe in eine vorschule, um spanisch zu lernen, spiele fussball mit den jungs der schule hier, gehe durch den markt und trinke erdbeersaft mit milch und ei und honig oder ganz frischen orangensaft von mir unbekannter süße, fahre auf franciscos motorrad mit zum fluss lurin, der im winter kein wasser hat, an brennenden müllhaufen vorbei, esse die absolut großartigsten kartoffeln, die es geben kann, lerne jonglieren, sitze im kombi auf dem weg durch den regellosen verkehr, lerne die süßigkeiten der winzigen stände am straßenrand kennen, freue mich über die netten obstpreise und die vielzahl der fruchtsorten, bin noch sehr vorsichtig, mit meiner kamera auf die straße zu gehen, deshalb auch bisher wenige photos, ich brauch ein paar wochen, die gefahren abzuschätzen...

trotz allem, es ist ein märchen. es fühlt sich sehr unwirklich an, durch die nächtlichen straßen von jose galvez zu laufen, einem distrikt von villa maria del triunfo, was wiederum ein stadtteil im süden von lima, der gigantischen, unüberschaubar riesigen hauptstadt perus ist... stellt euch vor: lima....

...wie immer ganz unter mehr photos...

abrazos
n

4 Kommentare:

  1. Wow, so ähnlich habe ich's mir vorgestellt. Dein Zimmer find' ich klasse und ich bekomme ganz schönes Fernweh ...

    Hört sich alles schon super an, hoffentlich geht's so gut weiter!

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  2. Wow, das macht doch Lust auf mehr! Nücko ist in Lima angekommen, yeah! Wir sehen uns dann ja schon recht bald, bis dahin genieß die ganzen Früchte und probiere alle unbekannten. Sind alle geil :)

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  3. das klingt alles so wunderbar fremd und doch vertraut, die gefühle kann ich mir so gut vorstellen!
    kennst du die kulturschock-kurve ;-)
    ich hab versucht, dir emails zu schreiben...
    hört sich nach freiheit an!

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  4. Du hast eine geniale Schreibe, Nico. Sehr eigeARTig poetisch und sehr angenehm zu lesen. Ich wünsch dir ein prima Lima und alles drum herum! Freu mich auf deinen nächsten Eintrag. Du bist da. Doch noch angekommen.

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